Archiv - Archiv 2020
Ratinger Jonges auf Tour: In Tours und um Tours herum zu den Schlössern der Loire
(20. – 26.09.2020)
„Sanft und sinnlich!", so erschien einem französischen Historiker das Tal der Loire. Wen wundert‘s, dass hier zahlreiche Könige, Minister und Höflinge einige der prachtvollsten Residenzen aller Zeiten entstehen ließen? Eine der wohl schönsten Landschaften Frankreichs mit ihren Seitentälern des Cher und der Indre hieß uns willkommen.
1. Tag: Sonntag, 20.09.2020 – Anreise nach Tours
Pünktlich um 6 Uhr Abreise in Ratingen – leider mit nur noch mit 26 Teilnehmern. So können wir es uns aber im Reisebus bequem machen und brauchen auch keine Mund-Nase-Schutzmasken zu tragen. Von unserem Reiseleiter Igor Borowski erhalten wir die ersten Informationen bezüglich der Anreise. An der Grenze zu Belgien findet ein Fahrertausch statt: Ab jetzt wird Markus Lueg die ganze Zeit fahren. Über Lüttich und Namur erreichen wir die Grenze zwischen Belgien und Frankreich. Wegen der hohen Coronazahlen müssen wir beim Durchfahren der Regionen Hauts-de-France und Île-de-France die Schutzmasken tragen. Ohne großen Stau umfahren wir den Großraum Paris und sehen in der Ferne sogar Eiffelturm und die Basilika Sacré-Cœur.
Von der Stadt Orléans selbst sehen wir nur den Namen auf den Autobahnschildern, erreichen die Region Centre-Val de Loire und nähern uns Tours, wobei laufend an der Autobahn Darstellungen der vielen Schlösser an der Loire darauf hingeweisen, was wir in den nächsten Tagen zu sehen bekommen.
Nach der Ankunft checken wir im Hotel Le Grand Hôtel de Tours ein. Einige nutzen die Zeit bis zum Abendessen, um die nähere Umgebung, besonders aber den sehenswerten Gare de Tours aus dem 19. Jahrhundert direkt neben dem Hotel, zu erkunden. Das Abendessen nehmen wir dann gemeinsam im benachbarten Bistro „Rossini“ ein: ein leckeres 3-Gänge Menü mit guten Weinen aus der Umgebung. Hier werden wir dann auch in den nächsten Tagen die traditionelle hiesige Küche genießen.
2. Tag: Montag, 21.09.2020 – Tours
Nach einem für französische Verhältnisse opulenten Frühstück im Hotel geht es dann gleich auf Entdeckungstour durch Tours, womit wir auch schon gleich beim Namen wären: Wie Reiseleiter Igor erklärt, käme die Bezeichnung „Touristen“ von den Pilgern aus der Stadt, die es früher nach Rom zog und die dort so bezeichnet wurden. Klingt irgendwie plausibel.
Die Stadt Tours ist vor allem für ihre Verbindung zum Heiligen Martin bekannt, der ehemals in der Stadt als Bischof wirkte, aber nicht dort starb, weshalb Mönche aus Tours nach seinem Tod im Jahre 397 in Candes, sich des Leichnams bemächtigten und ihn in ihre Stadt zubrachten. Man begrub ihn an der Stelle, über der später die Basilika Saint-Martin errichtet wurde, im Mittelalter einer der größten Kirchenbauten des Westens. Der Ruf des Heiligen und die Pilgerreisen zu seinem Grab veränderten den Charakter der Stadt völlig.
So ist denn die Basilika Saint-Martin de Tours und das Grab des Heiligen in der Krypta unser erstes Ziel. Anschließend geht es weiter in die Altstadt "Vieux Tours" hinein, wir bewundern am Place Plumereau die sehenswerten Fachwerkhäuser und in der Nähe auch das schlossartige, ehemalige Herrenhaus vom Hôtel Goüin aus dem 15. Jahrhundert, das uns optisch schon auf die Schlösser in den kommenden Tagen einstimmt.
Im Quartier Nationale werden wir vor dem Antiquitätengeschäft L'Essentiel von Igor aufgeklärt, dass dort die berühmte Jeanne D’Arc von einem hier lebenden Brigandinier im April 1429 ihre Rüstung erhalten hatte, und erreichen schließlich die Kathedrale Saint Gatien. Das zwischen dem 12. und 16. Jahrhundert errichtete Gotteshaus ist ein Kleinod der gotischen Architektur in Frankreich – berühmt wegen seiner prächtigen bunten Glasfenster. Der Rest des Tages steht für eigene Besichtigungen zur freien Verfügung.
3. Tag: Dienstag, 22.09.2020 - Langeais, Azay-le-Rideau, Villandry
Heute beginnt die Tour zu den Schlössern an der Loire. Unser erstes Ziel ist der Ort Langeais. Auf der Fahrt dorthin folgen wir flussabwärts der Loire. Mit 1004 Kilometern ist sie Frankreichs längster Fluss, der sich frei in seinem natürlich erhaltenen Flussbett den Weg bahnen kann.
In Langeais erhebt sich die gleichnamige Festung über den Ort. Typisch für eine mittelalterliche Festung betreten wir den Innenhof über eine Zugbrücke. Auf einem Felsvorsprung sind noch einige Mauerreste der ursprünglich hier errichteten Verteidigungsanlage aus der Zeit um 1000 n. Chr. erkennbar. Die jetzige Festung wurde im 15. Jahrhundert im Auftrag von Ludwig XI. errichtet. Während das Gebäude zum Ort hin wie eine Festung wirkt, verdeutlicht das Interieur den typischen Schlosscharakter der damaligen Zeit.
Nur wenige Minuten entfernt, jedoch auf der anderen Seite der Loire, liegt unser nächstes Ausflugsziel: das Renaissance-Schloss Azay-le-Rideau. Das in venezianischer Art auf Holzpfählen im sumpfigen Untergrund erbaute Schloss verzaubert durch seinen Charme und seine Eleganz. Das sich im Wasser des hier ruhig dahinfließenden Flüsschen Indre spiegelnde Schloss wurde vom Schriftsteller Honoré de Balzac mit „einem geschliffenen, von der Indre eingefassten Diamanten“ verglichen. Die geschichtlichen Wurzeln des Wasserschlosses liegen in einer hochmittelalterlichen Burg des Ritters Ridel d’Azay. Zwar strahlt der Ort heute Ruhe aus, doch im Mittelalter wurden hier einige Schandtaten verübt: So ließ König Karl VII. das Schloss und das gesamte Dorf aus Rache am Hause Bourguignon in Brand setzen. Ende des 15. Jahrhunderts erwarb der königlicher Schatzmeister Martin Berthelot die Lehnsherrschaft von Azay. Der Unterschlagung beschuldigt, müssen der Schlossherr und seine Frau jedoch später aus ihrem neuen Heim fliehen, woraufhin Franz I. das Schloss einem Hauptmann seiner Leibgarde schenkte.
Wenige Kilometer entfernt geht es zum Abschluss des heutigen Ausflugs zu den weltberühmten Renaissance-Gärten von Villandry. Schloss Villandry ist das letzte große, an den Ufern der Loire erbaute Schloss. Die auf insgesamt drei Terrassen angelegten Renaissancegärten harmonisieren sehenswert mit der Schönheit der Fassaden aus Kalktuff.
Historisch berühmt ist nicht nur das heutige Schloss aus dem Jahr 1536, sondern auch der Vorgängerbau, die Festung von Colombier aus dem 12. Jahrhundert. Hier hatte der König von England nach seiner Niederlage gegen Philipp II. Auguste, König von Frankreich, den Frieden von Colombier unterzeichnet. Wie die meisten Schlösser wechselte auch dieses häufig seine Besitzer, die Umbauten am Haus und den Gärten vorgenommen hatten. Es befindet sich aber weiterhin in Privatbesitz.
In die Gärten: Ein wahres, farbenfrohes Pflanzenmeisterwerk bietet sich uns schon von oben auf das Schachbrettmuster dar, wobei der in neun gleich großen Quadraten bestehende dekorative Gemüsegarten das Glanzstück darstellt. Gemüse und Blumen wechseln sich ab und bei einigen Gemüsesorten muss man erst die Beschreibung und dann noch die Übersetzer-App auf dem Handy zu Hilfe nehmen. Den gut sprießenden Grünkohl haben wohl alle sofort erkannt. Wohl aus Angst, den Bus zu verpassen, wagt sich aber keiner aus der Gruppe in den Irrgarten.
4. Tag: Mittwoch, 23.09.2020 - Blois, Cheverny, Chambord
Der vierte Tag unserer Reise beginnt mit der Besichtigung einer der ehemals bedeutendsten königlichen Residenzen Frankreichs, dem Schloss von Blois. Bei der einstündigen Anfahrt passieren wir diverse Schlösser, deren Namen man sich gar nicht alle merken kann. Reiseleiter Igor weist auch auf die vielen Kavernen hin, die in dem weichen Kreidefelsen der steilen Felswände hinter den Häusern gegraben wurden und zum Teil als Lagerraum oder auch als Wohnraum genutzt werden.
Bereits auf dem Fußweg vom Parkplatz zum Schloss, das auf einem Felsplateau hoch vor uns aufragt, fällt die imposante Loggienfassade auf. Besonders interessant wird es aber nach dem Betreten des Innenhofs, da hier gleich vier stilistisch ganz unterschiedlichen Fassaden das Bild bestimmen, wobei jedoch das lebensgroße Reiterstandbild Ludwigs XII. über dem Portal und auch die außenliegende offene Wendeltreppe sogleich die Blicke auf sich ziehen.
Das Schloss kann sich übrigens rühmen, das einzige zu sein, in dem mindestens zehn Königinnen und sieben Könige Frankreichs verkehrten, darunter Ludwig XII. und sein Neffe und Nachfolger Franz I. wie auch Heinrich II., der mit Katharina von Medici verheiratet war, die dort auch starb. Deren zweiter Sohn war wiederum mit Maria Stuart (Königin von Schottland) verheiratet. Alles bekannte Namen – aber wer kann sich all die vielen Könige, deren Ehefrauen und Mätressen merken? Wir bewundern Igor, der das alles im Kopf hat und humorvoll vorträgt.
Wohl aber wird uns allen aber die schaurige Untat in Erinnerung bleiben, die sich im königlichen Schlafzimmer im Dezember 1588 ereignete, als Heinrich III. seinen politischen Widersacher, den Herzog von Guise, dort ermorden ließ, woran heute noch zahlreiche Gemälde und ein Stummfilm, den wir alle fasziniert betrachten, erinnern.
Die anschließende Freizeit nutzen wir alle zuerst, um vom hochliegenden Schloss einen Blick auf die unter uns liegenden Dächer der Stadt, der Église Saint-Nicolas und die dahinterliegende Loire mit der Steinbogenbrücke „Le pont Jacques-Gabriel Blois “ mit ihren 11 Rundbögen zu erhalten, bevor wir uns hinab in die Altstadt mit ihren Fachwerkbauten begeben.
Der Besuch im nächsten Schloss steht an: Nachdem wir mal wieder die Loire überquert haben, stehen wir schon bald vor dem Herrenhaus von Cheverny, das man auch gut als „Schloss“ bezeichnen könnte. Interessant: Es wird als einziges von allen Schlössern, die auf unserem Programm stehen, immer noch von seinen Besitzern Hurault de Vibraye bewohnt – und zwar seit sechs Jahrhunderten, weshalb die privat genutzten Räume im Dachgeschoss nicht zur Besichtigung freigegeben sind.
Das Schloss wurde zwischen 1620 und 1630 im klassischen, französischen Barockstil errichtet, wobei man besonders auf eine perfekt symmetrische Fassade geachtet hatte. Schon beim Betreten der Anlage erhalten wir einen ersten Eindruck von dem Park, den wir erst nach Schlossbesichtigung aufsuchen wollen. Den für feierliche Empfänge ausgeführten Speisesaal, den Waffensaal (der größte Raum im Schloss), der große Salon und natürlich die frei zugänglichen, ehemaligen Privatgemächer gilt es zu besichtigen. Wie Igor erzählt, soll die Innenausstattung des Schlosses noch aus der ursprünglichen Zeit stammen.
Der Park wurde im englischen Stil errichtet wurde und ist mit prächtigen Mammutbäumen, Zedern und Linden bestückt. Wer will, geht zur Orangerie, genießt die Ruhe dort bei einem kühlen Getränk oder besucht den Hundezwinger mit über einhundert, dreifarbigen Jagdhunden, die sich der Schlossherr noch heute hält. Leider fehlt die Zeit, um auch das Museum und die Ausstellung „das Geheimnis vom Mühlenhof“ zu besuchen, das dem berühmten belgischen Autor und Comic-Zeichner Hergé gewidmet ist, der das Schloss Cheverny als Vorlage für eine seiner Geschichten von Tim und Struppi ausgewählt hatte.
Zum Abschluss der heutigen Schlösserrunde geht es zum größten aller hiesigen Schlösser – Chambord. Als Vorgängerbau des Schlosses von Versailles hatte die Anlage eine sehr wechselhafte Geschichte. Seit seiner Errichtung im 16. Jh. verbrachten viele französische Könige gerne ihre Zeit in Chambord, während der französischen Revolution wurde jedoch die Inneneinrichtung des Schlosses nahezu gänzlich zerstört.
Tja, und dann hätte fast die deutsch-französische Freundschaft ein Ende gefunden, denn seit Neuestem findet vor dem Zugang eine Taschenkontrolle mit Metall-Detektor statt. Dementsprechend sollten einige aus der Gruppe ihre Taschenmesser in eine Sammelbox werfen und hätten die guten Stücke auch nach dem Besuch nicht zurückerhalten. Aber keiner wollte sich von seinem guten Stück trennen, sondern lieber draußen warten. Und weder Igor noch die hinzugerufenen Polizisten konnten die Kontrolleure überzeugen, sodass letztlich die „Waffen“ an den herbeigeeilten Fahrer Markus übergeben wurden, damit das Theater ein Ende findet.
Chambord ist der Star unter den Schlössern der Loire, denn mit diesem Schloss wollte Franz I. ein Werk schaffen, das dem Hof als Jagdschloss dienen und als Symbol der Macht die Stärke Frankreichs demonstrieren sollte. Schon der erste Eindruck ist atemberaubend. Unzählige Kamine, Türme und Türmchen schmücken die Dächer. Ungewöhnlich ist aber auch der symmetrische Grundriss der Anlage, vor allem das innere Hauptgebäude, welches die Grundform eines Quadrates besitzt, dessen Ecken von einem Turm umfasst werden. Nur ein Viertel wurde asymmetrisch angeordnet und man weiß bis heute nicht genau, warum das so ist. Die Mitte dieses Quadrates bildet das bis oben hin offene Treppenhaus, das durch die scheinbar aus einem Stück geschaffene Treppe, die in Wirklichkeit aus zwei ineinander verschränkten spiralförmigen Treppenläufen besteht, die sich niemals kreuzen, beherrscht wird. Wegen dieser eigenartigen Bauform der Treppe wird angenommen, dass der Entwurf dafür von dem genialen italienischen Genie, Künstler und Architekt Leonardo da Vinci stammt.
Franz I. verbrachte nur wenig Zeit im Palast, der in erster Linie dazu gedacht war, den Hofstaat zu beeindrucken. In den meisten der 40 Wohnräume fehlen die Möbel, so dass vor dem Eintreffen von Hofstaat oder Jagdgesellschaften Heerscharen an Bediensteten vorausgeschickt wurden, um das Schloss zu möblieren und zu dekorieren.
Das war‘s dann auch für diesen Tag mit den Schlössern. Eins bleibt noch anzumerken: Mit Verwunderung stellen wir vor Verlassen des Schlosses fest, dass im Souvenirshop Taschenmesser zum Verkauf angeboten werden – eventuell aus den Beutezügen vorne vor dem Eingang?
5. Tag: Donnerstag, 24.09.2020 - Amboise, Clos-Lucé, Chenonceau
Der Vormittag steht ganz im Zeichen des Schlosses von Amboise. Amboise ist eine der ältesten Residenzen an der Loire und wird wegen seiner majestätischen Erscheinung von vielen als eine der schönsten angesehen. Schon Leonardo da Vinci wählte Amboise als künstlerische Wirkungsstätte. Da Vinci liebte das Tal der Loire und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens im nahegelegenen Herrenhaus Clos-Lucé, welches wir anschließend besuchen werden.
Von seinem Felsvorsprung aus bietet das über die Loire wachende Schloss von Amboise seinen Besuchern einen herrlichen Panoramablick. Vor diesen Ausblick steht zuerst der Aufstieg nach oben auf das Plateau und der Besuch in der Hubertuskapelle, in dem die sterblichen Überreste Leonardo da Vincis ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Die hervorragende Aussicht von hier oben nutzten auch schon die alten Gallier mit einem Oppidum, und nach der Eroberung Galliens durch die Römer errichteten diese hier ein Castellum, ehe die Befestigung im 10. Jahrhundert ausgebaut und verstärkt wurde. Ihre größte Blütezeit erlebte sie im 15. Jahrhundert unter dem französischen König Karl VIII., der die Grundfläche der Anlage beträchtlich vergrößerte und sie zu seiner Hauptresidenz machte. In der Geschichte Frankreichs nimmt das Königsschloss von Amboise eine besondere Stellung ein. Es war Lieblingssitz und Krippe der französischen Könige. Hier wurden illustre Gäste empfangen und französische wie auch europäische Geschichte geschrieben. Den Höhepunkt seines Ruhms erreicht das Schloss schließlich unter der Herrschaft von König Franz I., der in Amboise aufwuchs. Er lässt den großen Leonardo da Vinci aus Italien kommen und bringt ihn im nur wenige Schritte vom Schloss entfernten Herrenhaus Clos Lucé unter, das durch einen unterirdischen Gang mit diesem verbundenen ist.
Mit der Zeit verkam die Anlage aber immer mehr, einige Gebäude wurden als Steinbruch genutzt und diente zeitweise als Gefängnis. Nach der Revolution gibt Napoleon es an den ehemaligen Konsul Pierre-Roger Ducos ab, der fast zwei Drittel des Schlosses abreißen lässt, bevor es unter König Louis-Philippe teilweise wieder instandgesetzt wurde.
Nach dem Rundgang mit einem kurzen Blick auf den Garten im hinteren Bereich verlassen wir das Schloss nun durch den Minimes-Turm, über dessen breite Rampe Reiter und sogar Kutschen die Schlossterrassen erreichen konnten, damit die feinen Herrschaften nach dem Aufstieg nicht verschwitzt oben ankamen.
Während Leonardo da Vinci das Schloss durch einen unterirdischen Gang von seinem Wohnhaus Clos Lucé aus erreichen konnte, geht es jetzt für uns circa 15 Minuten oberirdisch durch die engen Gassen dorthin, haben dabei aber auch die Möglichkeit, mal den einen oder anderen Blick auf die in der steilen Felswand eingebrachten Kavernen zu werfen, die zum Teil zu Wohnungen ausgebaut wurden.
Coronabedingt erhalten wir nicht direkt Zugang in die Anlage von Clos Lucé. Besuchergruppen werden auf zehn Personen beschränkt, was eine längere Wartezeit bedeuten würde, da vor uns schon andere in der Schlange anstehen. Also werden wir zuerst nur die Parkanlage erkunden und anschließend das Wohnhaus besichtigen. Im weitläufigen Park Leonardo da Vinci bewundern wir die verschiedenen lebensgroß rekonstruierten Maschinen und Modelle seiner tollen Erfindungen. Wir gehen auch über die von ihm erdachte Doppelstockbrücke. Nach dem Rundgang durch den Park haben nur noch wenige Interesse, jetzt noch das ehemalige Wohnhaus des großen Erfinders zu besichtigen.
Das Château selbst wurde in der Mitte des 15. Jahrhunderts erbaut und im Jahre 1490 vom französischen König Karl VIII. für seine Frau als Sommerhaus erworben und um eine Kapelle erweitert. Später wurde es von König Franz I. und seiner Schwester Margarete von Navarra genutzt. 1516 nahm Leonardo da Vinci die Einladung des französischen Königs an und logierte schließlich hier bis zu seinem Tode am 2. Mai 1519, wobei er für Franz I. an zahlreichen Projekten arbeitete.
Am Nachmittag steht ein drittes Schloss auf dem Programm: das nach Versailles meistbesuchte Schloss Frankreichs – Chenonceau. Das im frühen 16. Jahrhundert erbaute Schloss gilt als die vollendete Schöpfung der Renaissance und hebt sich bedingt durch seine ungewöhnliche Bauform als Wasserschloss komplett von den anderen Schlössern ab. Und auch wir sind beim Anblick des ganzen Ensembles von der gelungenen Komposition aus Natur und Architektur sofort begeistert. Das Schloss besteht aus einem nahezu quadratischen Wohntrakt (Logis), dem sich eine Galerie anschließt, wobei diese beiden Gebäude im Wasser des Cher stehen. Vor dem Zugang erhebt sich auf einer Insel der ehemalige Bergfried der Vorgängeranlage. Im Schloss selbst sind es eigentlich – wie überall – die vielen Schlafzimmer, die es zu betrachten gilt, wobei besonders dem Schlafzimmer der damaligen Mätresse von König Heinrichs II, Diane de Poitiers, der er das Schloss schenkte, unser Augenmerk gilt. Hier ist des Rätsels Lösung zu sehen, mit der uns Igor seit dem ersten Schlossbesuch löchert. Aber man muss schon genau hinsehen, um diese zu finden. Wer es nicht erkannt hat, aber aufgeklärt werden möchte, möge den Bericht von unserem Mitreisenden Gunter lesen. Ehefrau von Heinrich II. war Katharina von Medici, die nach dem Tod des Regenten ihre neu gewonnene Macht nutzte, um die verhasste Konkurrentin aus dem Schloss zu vertreiben. Sie zwang Diane, es gegen Schloss Chaumont einzutauschen.
Aber auch das ganz in Schwarz gehaltenes Schlafzimmer von Louise de Lorraine im Dachgeschoss ist sehenswert, weil recht außergewöhnlich: Hier hatte die Königswitwe ringsum an den Wänden und der Decke schwarze Paneele hatte anbringen lassen, um ihrer Trauer Ausdruck zu verleihen. Zusätzlich sind die Möbel mit einer schwarzen Stoffbespannung bedeckt.
Nach dem Wohnbereich betritt man die ungewöhnlich lange Galerie, die sich über die gesamte Flussbreite spannt, in der früher die Empfänge und Feierlichkeiten stattfanden, wobei es eigentlich in dem riesigen Raum mit nur einem Kamin an der Stirnseite und direkt oberhalb des Flusses gelegen im Winter ziemlich frostig gewesen sein muss.
Unterhalb der Logis befinden sich die Wirtschaftsräume des Schlosses, die man nur über eine schmale Treppe erreicht. Hier befindet sich der neben dem Speisesaal der Bediensteten und natürlich auch die Küche, die mit sehr viel Detailtreue nachempfunden wurde. Man meint, förmlich den Duft der Gerichte noch zu riechen.
Eigentlich wäre nun mit dem Besuch auf Schloss Chenonceau das offizielle Reise-Programm beendet gewesen, doch das hatte unserem Reisebaas Norbert nicht gereicht, weshalb er einen zusätzlichen Tag mit weiteren Besichtigungen eingeplant hat.
6. Tag: Freitag, 25.09.2020 - Angers, Le Mans
Den Weckdienst übernimmt wie schon an den Vortagen die vor dem Bahnhof herumkurvende Straßenkehrmaschine. Der Blick aufs Wetter stimmt frohgemut. Die gute Laune bekommt aber einen Dämpfer durch die Nachricht, dass jetzt auch dieser Teil von Frankreich – das Centre Val de Loire – zum Corona-Risikogebiet erklärt worden war.
Nach dem Frühstück sind wir auf dem Weg nach Angers, rund eineinhalb Stunden flussabwärts von Tours entfernt in der Region Pays de la Loire. Die Altstadt zählt mit dem Château d`Angers zum Weltkulturerbe der UNESCO. Zuerst geht es ins Schloss, anschließend in die Altstadt und die Kathedrale. Wer sich schon mal vorher Fotos von der Anlage angeschaut hatte, weiß, was ihn erwartet, aber trotzdem ist der direkte Anblick der hoch von uns aufragenden schwarz-weißen Umfassungsmauer mit den vielen Türmen ein außergewöhnlicher Anblick.
Schon in römischen Zeiten stand auf dem schroffen Felsen über dem Maine-Tal eine Festung. Im 13. Jahrhundert wurde dann das heutige Schloss von König Ludwig IX. in Auftrag gegeben. Nach dem Betreten des Vorhofs mit dem Garten geht es weiter durch das Châtelet zum herrschaftlichen Wohnbereich mit dem königlichen Wohntrakt und der angrenzenden Kapelle. Unser Ziel – und auch die Hauptattraktion des Schlosses – ist die aus dem Jahr 1954 stammende „Galerie der Apokalypse“ in der der weltweit größte bekannte Wandteppich aus dem Mittelalter „alle vor Ehrfurcht erstaunen lässt“, wie die Werbung verspricht und wir direkt nach dem Betreten des Saals selbst feststellen dürfen. Mit einer Gesamtlänge von über 100 Metern und einer Höhe von 4,50 Meter wird auf den aus vier Abschnitten bestehenden Bildteppichen das letzte Buch des neuen Testaments – die Apokalypse oder die Offenbarung des Johannes – in Bildern dargestellt. 1375 vom Herzog von Anjou in Auftrag gegeben, war der Zyklus, der aus 70 Einzelbildern besteht, bereits 1382 fertiggestellt. Während der französischen Revolution zerschnitt man die Teile und benutzte sie als Decken, Bettvorleger oder Abdeckplanen. Später konnten die meisten Teppichfragmente zurückgekauft werden. Trotzdem blieb ein Drittel der Szenen für immer verloren. Die ursprünglich leuchtenden Farben sind noch auf der Rückseite zu sehen. Die Vorderseiten sind deutlich verblasst. Nach der einleitenden Erklärung durch Igor zu den Inhalten des Teppichs konnte jeder selbst in Ruhe die einzelnen Abschnitte betrachten.
Nach dem anschließenden Gang durch das Museum endet der Rundgang in der recht schmucklosen Kapelle Sainte-Geneviève neben dem Wohntrakt. Durch die schmalen Gassen der Altstadt geht es anschließend zur Cathédrale Saint-Maurice d'Angers. Das besondere dieser aus den Zeiten des 11. bzw. 12. Jh. stammenden Kirche ist die architektonische Mischung, die den Übergang von der Romantik (der untere Mauerteil) zur Gotik (das darauf aufbauende Kreuzgewölbe) zeigt.
Nach der Mittagspause fahren wir mit dem Bus ca. 100 Kilometer weiter zu unserem nächsten Ziel: Le Mans. Vermutlich kennen die meisten den Namen Le Mans nur vom Motorsport und von den berühmten 24-Stunden-Rennen. Zuvor besichtigen wir im Stadtzentrum die Kathedrale Saint-Julien, die zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert erbaut wurde, wobei zuerst das Kirchenschiff im romanischen und der Chor später im gotischen Stil errichtet worden waren, und mit einer Länge von 134 m eine der größten Kathedralen in Frankreich ist. Berühmt sind auch die Glasmalereien aus romanischer und gotischer Zeit. Die Darstellung der Himmelfahrt im Südseitenschiff (um 1120) ist das älteste Fenster des Doms.
Ungefähr 15 Minuten benötigen wir, um die bekannte 24-Stunden-Rennstrecke vor Le Mans zu erreichen. Hier besuchen wir das „Museum of the 24 Hours of Le Mans“ und können bei dem Rundgang nicht nur die Siegerfahrzeuge und die Rennwagen aller großen Hersteller wie Bentley, Ferrari, Jaguar, Ford, Porsche, Matra, Audi usw. besichtigen. Dass es ebenfalls ein 24-Stunden-Rennen mit Motorädern gibt, erfahren einige erst beim Anblick der Siegermaschinen, die ebenfalls ausgestellt sind. Die Strecke ist fast 14 Kilometer lang und besteht zu einem Teil aus öffentlichen Landstraßen.
Das erste Rennen wurde 1923 ausgetragen; in den letzten Jahren waren die deutschen Teams mit Audi und Porsche führend, jetzt dominieren die Japaner mit Toyota. Dass Technik und Motorsport nicht jeden sehr interessiert, sieht man an der frühzeitigen Belegung des Busses schon vor der vereinbarten Zeit, wogegen ein Teilnehmer am liebsten jedes Fahrzeug im Detail untersucht hätte.
Danach begeben uns auf den Heimweg zu unserem Hotel in Tours. Beim Abendessen im Bistro genießen wir ein letztes Mal das allseits gelobte Menü und bedanken uns bei den Wirtsleuten herzlich.
7. Tag: Samstag, 26.09.2020 - Heimreise über Reims
Nach dem Frühstück machen wir uns auf die lange Heimreise. Der ursprüngliche Plan einer kurzen Stadtrundfahrt durch Paris wird fallen gelassen: epidemiologisches Risikogebiet! So fahren wir nach Reims und werden wieder von Igor auf interessante Punkte links und rechts des Weges hingewiesen. Mit Reims erreichen wir auch das Gebiet der Champagne in der Region Grand Est. Obwohl Champagner das bekannteste Erzeugnis der Region ist, sieht man nur an einigen Hängen Weinberge. Dafür sollen sich aber innerhalb der Hügel kilometerlange Stollen für die Produktion und Lagerung des Champagners befinden.
Schon zu Beginn des 3. Jahrhunderts war Reims eine der größten gallorömischen Städte und erblühte im Mittelalter vor allem durch den Tuchhandel. Das älteste Bauwerk ist die Porte de Mars ein Triumphbogen, unser Ziel ist aber die Kathedrale Notre Dame, ein wuchtiger Bau mit Zwillingstürmen. Die Kathedrale gehört zu den architektonisch bedeutendsten gotischen Kirchen Frankreichs, in der die französischen Könige gekrönt wurden. Errichtet wurde die Kathedrale im 13. Jahrhundert, weitestgehend zerstört im September 1914 durch den Beschuss deutscher Truppen im ersten Weltkrieg, ebenso wie das Zentrum der Stadt, mit deren Wiederaufbau man sofort nach Ende des Kriegs begann.
Extrem hoch wirkt nach dem Eintritt das schlanke Hauptschiff, wogegen der Chorraum recht groß erscheint, was ja auch logisch ist, denn dort musste ja bei den Krönungsfeierlichkeiten genügend Raum für die Würdenträger vorhanden sein. Von der Zerstörung der Kathedrale waren auch alle Glasfenster betroffen, die durch Notverglasungen ersetzt worden, die wiederum erst nach dem 2. Weltkrieg sukzessive ausgetauscht und von mehreren französischen Künstlern (u.a. Marc Chagall), aber auch durch den deutschen Künstler Imi Knoebel gestaltet worden waren. Die letzten drei noch notverglasten Fenster aus dem Jahr 1914, die ebenfalls von Knoebel stammen, wurden 2015 eingeweiht und gelten als Symbol für die deutsch-französische Freundschaft.
Nach dem Rundgang kann jeder den Bereich um den Dom herum und im nahen Zentrum mit vielen Champagnergeschäften nach eigenem Gusto besichtigen.
Nach der Mittagspause geht es dann endgültig auf den Heimweg, bei dem wir in Belgien die Ardennen durchqueren und bei Lichtenbusch wieder nach Deutschland einreisen, wo wir uns von Reiseleiter Igor Borowski und Fahrer Markus Lueg verabschieden müssen. Beide haben einen tollen Job gemacht! Ein Ersatzfahrer bringt uns dann das letzte Stück wohlbehalten nach Hause.
(Norbert Halverkamps)
Klicken Sie auf eines der Bilder um es zu vergrößern und die Bildergalerie zu starten …